Um den Fachkräftemangel zu beheben, soll nach den Plänen der Bundesregierung das Einwanderungsrecht reformiert werden. Das vorgelegte Eckpunktepapier baut auf den drei Säulen Fachkräfte, Erfahrung und Potenzial auf. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, eines der modernsten Einwanderungsgesetze in Europa zu schaffen.
Bestehendes System
Bislang war die Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten zu Erwerbszwecken an das Vorliegen einer in Deutschland anerkannten Qualifikation und an ein Arbeitsplatzangebot gekoppelt. EU-Ausländer benötigen bisher ein Visum für Deutschland.
Schon heute können qualifizierte Fachkräfte mit einer sogenannten Blue Card einreisen. Die Mindestgehaltsgrenze von 56.400 Euro soll gesenkt werden. Damit wird auch jungen Menschen der Berufseinstieg in Deutschland erleichtert.
Die Fachkräftesäule bleibt weiterhin die zentrale Säule der Reform. Sie wird durch die Erfahrung- und Potenzialsäule ergänzt.
Säulen der Erwerbseinwanderung
Die Erfahrungssäule bildet die zweite Säule der Reform. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass es zwar beruflich erfahrene Menschen gibt, diese aber nicht den deutschen Fachkräftevorschriften entsprechen. Die Reform sieht vor, Fachkräften auch ohne einen formal anerkannten Berufsabschluss einen erleichterten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, sofern sie einen Arbeitsvertrag und eine mindestens zweijährige Berufserfahrung vorweisen können. Eine formale Anerkennung ist für die Beschäftigung in einem nicht reglementierten Beruf nicht erforderlich. Allerdings ist eine Gehaltsschwelle einzuhalten, sofern keine Tarifbindung vorliegt.
Anders als bisher sollen Fachkräfte aus Drittstaaten auch die Möglichkeit erhalten, erst nach der Einreise die Anerkennung ihrer Abschlüsse einzuleiten und nebenher schon einer Beschäftigung nachzugehen. Grundlage hierfür ist eine mit dem Arbeitgeber abzuschließende Anerkennungspartnerschaft.
Die Potenzialsäule richtet sich an qualifizierte Angehörige aus Drittstaaten, die noch keinen Arbeitsvertrag in Deutschland besitzen. Basis ist die Einführung einer Chancenkarte, die an Kriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrungen, Alter und Deutschlandbezug geknüpft ist. Sie bietet Menschen die Chance, innerhalb von sechs Monaten eine Arbeit zu finden. Allerdings gewährt die Chancenkarte kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Drittstaatlern können aber gemeinsam mit ihren Arbeitgebern die Zeit nutzen, um die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zu schaffen.
Beschleunigte Umsetzung
In der Vergangenheit war vor allem die Umsetzung ein Nadelöhr und das Hauptproblem bei der Fachkräfteeinwanderung. Die langen Wartezeiten bei der Vergabe von Aufenthaltsgenehmigungen blockierten den Zuzug. Daher soll nach dem Willen der Bundesregierung die Digitalisierung aller an dem Prozess beteiligter Verwaltungen schneller vorangetrieben werden. Ein begrüßenswerter Vorschlag, der allerdings nicht neu ist. Bereits 2018 wurde mit der Einführung des sog. „Beschleunigten Fachkräfteverfahrens“ eine Bündelung der Zuständigkeiten in einer zentralen Stelle gefordert. Die erneute Vorlage zeigt, dass in der Umsetzung noch Nachholbedarf besteht.